Interview mit Olympia Silbermedaillen-Gewinnerin Julie Derron

Bereits seit 3 Jahren dürfen wir die beiden Triathletinnen Julie und Nina Derron bei ihrer sportlichen Karriere im Rahmen eines Sponsorings begleiten. Nun hat eine der beiden Schwestern, Julie Derron, den sportlichen Olymp erreicht: Bei den Spielen in Paris hat sie im Einzelwettkampf die Silbermedaille gewonnen. Wir durften sie nach ihrem Sieg interviewen und möchten dieses spannende Gespräch hier gerne mit Ihnen teilen.

Julie bei der letzten Etappe des Triathlon in Paris

Herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille in Paris! Wie hast du dich gefühlt, als du die Ziellinie überschritten hast und wusstest, dass du eine Medaille gewonnen hast?

Ich war mega glücklich und stolz und ehrlich gesagt auch ziemlich emotional. Es war ein unglaublicher Moment, tatsächlich zu wissen, was ich geschafft habe. Natürlich war ich auch erschöpft, es war ein strenger Wettkampf.

Was waren die größten Herausforderungen auf deinem Weg zu den Olympischen Spielen?

Das Schwierigste war, über einen so langen Zeitraum den Fokus nicht zu verlieren. Man weiss, dass man jeden Tag das Beste aus sich rausholen muss und das über viele Monate. Anfang 2023, also etwa 1,5 Jahre vor den Olympischen Spielen, hatte ich eine schwere Verletzung, einen Ermüdungsbruch in der Hüfte. Ich konnte über 3 Monate kein Lauftraining mehr machen. Ich konnte zwar Schwimmtrainings absolvieren, aber die Verletzung hat mich in der Wettkampfphase von den Qualifikationsrennen abgehalten. Ich war dann froh, als ich wieder durchstarten konnte und dann die Voraussetzungen für die Teilnahme in Paris erfüllt habe.

Kannst du uns durch einen typischen Trainingstag führen? Wie sieht dein Trainingsplan aus?

Wir haben im Grunde zwei verschiedene Trainingstage, die sich immer abwechseln: An einem Tag liegt der Fokus auf Schwimmen und Velo, am anderen beim Laufen.

Die üblichen Schwimm-/Velo-Tage starten mit einem 90minütigen Schwimmtraining mit unterschiedlichem Fokus auf Geschwindigkeit oder Ausdauer. Nach dem Frühstück und anschliessender kurzer Pause startet noch am Vormittag ein kürzeres, intensives Velo-Training, um Kraft aufzubauen. Nach der Mittagspause gibt es am Nachmittag noch eine zweite Velo-Einheit, die eher über längere Distanzen geht. Die Abende sind meist entspannt und dann geht es schon früh ins Bett.

Der darauffolgenden Lauftag beginnt auch mit einer kurzen Velo-Session, um den Körper aufzuwecken und am Vormittag gibt es dann das erste Lauftraining mit Fokus auf Schnelligkeit. Die Nachmittagseinheit konzentriert sich wiederum auf Ausdauer, so dass sich der Körper daran gewöhnt, auch mit müden Beinen zu laufen. Nach dem Lauftraining kommt dann oft noch ein lockeres Schwimmtraining, um das Laktat wieder aus dem Körper zu bekommen und die Muskeln zu lockern. Und so wechseln die Tage eigentlich immer ab. Dadurch werden die Knochen nicht täglich durch das anspruchsvolle Lauftraining gefordert und können sich gut erholen.

Wie bereitest du dich mental auf einen so anspruchsvollen Wettkampf wie die Olympischen Spiele vor?

Seit Anfang des Jahres arbeite ich mit einer Sportpsychologin zusammen. Das Mentale spielt eine extrem wichtige Rolle; man muss Strategien entwickeln, wie man mit den körperlichen Belastungen im Wettkampf und auch Unsicherheit oder Nervosität im Vorfeld umgehen kann. Vor dem Wettkampf war ich früher oft nervös – heute mache ich mir Checklisten und arbeite viel mit Visualisierung. Für mich ist es wichtig, das Drumherum und die Umgebung zu kennen, um nicht vor dem Wettkampf noch Sachen suchen zu müssen. Mir hilft auch das Wissen, wie man den Schmerz in etwas Positives umwandeln kann, wenn es im Wettkampf hart wird. Das sind alles kleine Sachen, die man im Training schon ausprobieren kann und die dann im Laufe der Zeit immer besser werden. Gute Vorbereitung ist hier entscheidend, um mit der eigenen Nervosität umzugehen. Man muss sich immer nur auf den nächsten Schritt konzentrieren. Es bringt also nichts, schon beim Schwimmen an das Velofahren zu denken.

Speziell für Olympia habe ich im Vorfeld noch viel mit Nicola Spirig [Anm. der Redaktion: Triathlon Olympiasiegerin 2012] geredet, die ihre wertvollen Erfahrungen mit mir geteilt hat. Auch das hat sehr geholfen, möglichst gut vorbereitet in den Wettkampf zu gehen und sich möglichst wenig zusätzlichen Stress zu machen.

Gab es Momente in deiner Karriere, in denen du ans Aufgeben gedacht hast?

Tatsächlich wollte ich noch nie mit Triathlon aufhören. Ich mache das schon so lange, dass ich mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen kann. Es gibt schon Tage, wo man weniger Lust auf das Training hat. Aber nach ein paar Tagen ohne Sport fehlt es mir schon sehr und ich will wieder loslegen.

Wie beeinflusst der Triathlon dein Privatleben? Wie schaffst du es, eine Balance zwischen Training, Wettkämpfen und deinem persönlichen Leben zu finden?

Triathlon ist ein sehr grosser Teil meines Lebens. In intensiven Zeiten wie der Vorbereitung auf Olympia müssen Freundschaften und andere Kontakte eher zurückstehen. In dem Moment ist das Wichtigste, sich so gut wie möglich auf den Wettkampf vorzubereiten. Man macht hier gewisse Abstriche und verbringt weniger Zeit mit Freunden. Ich war z. B. zwei Monate durchgehend in St. Moritz, während mein Lebensmittelpunkt eigentlich in Zürich ist. Aber nach Paris hatte ich ein paar Tage in Zürich und konnte einiges Nachholen. Ich brauche das als Ausgleich und dann wird es abends auch mal länger und das Training beginnt eben später. Es ist wichtig zu wissen, was einem wann guttut.

Welche Rolle spielt deine Familie und dein Umfeld in deiner Karriere?

Meine Familie und mein Umfeld spielen eine extrem wichtige Rolle, vor allem meine Schwestern, die beide auch Triathlon machen. Mit Nina bin ich im Moment zusammen in St. Moritz und es ist sehr schön, nicht allein zu sein und zusammen trainieren zu können. Sie hat die ganze Vorbereitung mit mir erlebt und hat mich sehr unterstützt, auch wenn es mal schwierig geworden ist.

Auch wenn man allein an der Startlinie steht – den Weg dorthin hat man nicht allein gemacht. Daher ist es so wichtig, sich mit Leuten zu umgeben, die dich einerseits fordern, aber auch eine gewisse Ruhe vermitteln können. Mir ist es auch wichtig, einen Ort zu haben, an dem ich mich wohlfühle. St. Moritz ist für mich wie ein zweites Zuhause, das hilft sehr, sich auf das Training zu konzentrieren.

Neben dem Triathlon-Vollprogramm hast du auch noch ein ETH-Studium absolviert. Wie macht man das? Bekommt man Unterstützung durch die ETH und was sind die grössten Herausforderungen an so einer Doppelbelastung?

Mein Studium der Lebensmittelwissenschaften an der ETH habe ich vor ca. 1,5 Jahren abgeschlossen. Das hat perfekt gepasst, weil ich mich das letzte Jahr vor Olympia ausschliesslich auf den Sport konzentrieren konnte. Während dem Semester war es immer eine Herausforderung, vor allem während der Prüfungsphase – üblicherweise sind die Prüfungen im Sommer, also gleichzeitig mit der Wettkampfphase. Das unter einen Hut zu bringen war nicht immer einfach, aber es hilft, sich einen guten Zeitplan zu machen, der einem Struktur über den Tag gibt. Es war auch ein guter Ausgleich, weil man sich während der Studienzeit auch nicht so viele Gedanken über das Training machen kann und umgekehrt.

Das intensive Basisjahr an der ETH konnte ich in zwei statt einem Jahr absolvieren, das hat sehr geholfen. Für mich persönlich war die Corona-Zeit tatsächlich von Vorteil, da ich nicht mehr persönlich an die ETH musste, sondern die Zeit zum Trainieren nutzen und die Vorlesungen dann später am Tag als Aufzeichnung schauen konnte. Bei der Masterarbeit hat man mir auch mehr Zeit gegeben, ich konnte sie in 8 oder 9 Monaten statt der üblichen 6 schreiben, so dass ich weniger Druck hatte. Hier war von Vorteil, dass ich schon im Nationalkader war und die ETH mir dadurch sehr entgegengekommen ist. Natürlich bekommt man keine einfacheren Prüfungen, aber man hat etwas mehr Zeit, um das Studium zu schaffen.

Was machst du, um dich zu entspannen und abzuschalten, wenn du mal nicht trainierst oder an Wettkämpfen teilnimmst? Gibt es Hobbys oder Interessen, die nichts mit Sport zu tun haben?

Zum Entspannen lese ich sehr gern. Das zwingt mich auch, mich aufs Sofa zu setzen und einfach mal nichts zu machen. Ansonsten gehe ich auch sehr gerne mal Kaffee trinken, das hat sich ein bisschen zu einem Hobby entwickelt, an neuen Orten ein schönes Café zu finden. Die Bergseen von St. Moritz habe ich über den Sommer auch sehr genossen. Ich mache schon gern etwas Aktives, aber gebe nicht so Vollgas wie während dem Training.

Was für eine Rolle spielen Sponsoren auf deinem Karriereweg?

Sponsoren sind extrem wichtig, um mir den Sport zu finanzieren. Ich habe lang neben dem Sport studiert, hier hätte ich nebenbei nicht noch arbeiten können, das wäre nicht gut gegangen. Ich habe zum Glück auch die Unterstützung meiner Eltern, so dass ich z. B. in Zürich kostenlos wohnen kann. Vom Triathlon wird man nicht reich, gerade am Anfang kann man nicht davon leben. Da hilft es natürlich sehr, wenn man sich – gerade in jüngeren Jahren – auf den Sport fokussieren kann und sich nicht auch noch Gedanken um die Finanzen machen muss. Ich mache Triathlon nicht fürs Geld, sondern weil es meine Leidenschaft ist und ich die Challenge liebe, zu sehen wie viel ich schaffe, das gibt mir viel. Aber man muss natürlich auch von was leben.

Wie siehst du die Zukunft des Triathlon Sports, insbesondere für Frauen?

Ich sehe das sehr positiv. Es ist ein cooler Sport, auch weil Frauen die gleichen Distanzen absolvieren wie Männer. In den meisten Fällen sind auch die Preisgelder bei den Profis gleich verteilt. Bei den Volkstriathlons sind zwar mehr Männer am Start, aber wenn es mehr weibliche Vorbilder gibt, die zeigen, wie gut man werden kann, ändert sich das vielleicht irgendwann. Ich hoffe, ich kann hier auch einen Beitrag leisten. Gerade bei den Ausdauersportarten zeigt sich auch, dass der Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen mit fortschreitender Wettkampfzeit immer geringer wird. In der Schweiz ist der Triathlon Sport auch recht bekannt und hat eine gute Community. Der Triathlon ist daher – vor allem auch für Frauen – auf einem guten Weg.

Gibt es einen Rat, den du jungen Athletinnen geben würdest, die von einer Karriere im Triathlon träumen?

Nicht aufgeben und sich Zeit geben. Ich habe sehr früh mit Triathlon angefangen und erst jetzt, mit 27, den Höhepunkt erreicht. Ich habe so viel gelernt über die Jahre und es war nicht immer einfach. Daher ist nicht aufzugeben und sich ein gutes Umfeld schaffen das Wichtigste.

Wenn du auf deine bisherige Karriere zurückblickst: Gibt es etwas, das du anders machen würdest?

Ich würde früher an mich glauben und wirklich alles geben – mich also ausschliesslich auf den Sport konzentrieren. Neben dem Studium war das eher schwierig. Aber ich bin ja immer noch jung und kann immer noch „all in“ für Triathlon gehen.

Was bedeutet Erfolg für dich? Hat sich deine Definition von Erfolg im Laufe deiner Karriere verändert?

Der grösste Erfolg für mich ist, wenn ich weiss, dass ich bei einem Wettkampf alles gegeben hat. Auch bereits in der Vorbereitung muss man alles geben und alles richtig machen, um am Tag X wirklich zu zeigen, was man kann. Resultate und Zahlen sind auch wichtig, aber wenn man weiss, man hat sein Bestes gegeben, dann spielt es auch keine Rolle, ob man 2., 10. oder 15. ist.

Zum Schluss, gibt es eine Botschaft, die du den Menschen, die dich auf deinem Weg unterstützt haben, mitgeben möchtest?

Ein riesengrosses Dankeschön, dass sie mit mir den Weg gegangen sind und mich hoffentlich auch in Zukunft unterstützen. Wie vorhin schon gesagt, geht man den Weg nie allein und alle haben daher auch einen Anteil am Erfolg.

Liebe Julie, vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf das nächste gemeinsame Training mit dir und Nina. 

Das Interview führte Barbara Jonietz am 28.08.2024.

Julie mit ihrer Silbermedaille

Haben Sie sich schon für unseren Consor Newsletter angemeldet?

Mit dem Consor Newsletter erhalten Sie alle wichtigen Neuigkeiten rund um Consor Universal und fachliche Themenbereiche aus der Versicherungsbranche. Der Newsletter erscheint mindestens viermal im Jahr.