Von Robert Rosenberger, Business Transformation Analyst bei HDI Global, und Martin Nokes, Head of Business Development bei Consor.
Die Internationalisierung des Geschäfts hat die Risikolandschaft für Unternehmen komplexer gemacht, was massgeschneiderte Versicherungslösungen erfordert. Im Bereich Grosskundenbetreuung sind geeignete Prozesse und Applikationen entscheidend, um die Individualisierung durch Mitarbeitende zu unterstützen und wertvolle Daten zu nutzen.
Wir alle kennen Versicherungsprodukte aus unserem Alltag, beispielsweise die Auto-Haftpflichtversicherung oder die Hausratsversicherung. Solche Versicherungen für Privatpersonen sind hoch standardisiert. Egal, ob der Versicherungsnehmer Porsche oder Toyota fährt: Die Policen und Versicherungsbedingungen sind identisch und weichen nur bei den Versicherungssummen und Prämien ab.
Im Grosskundengeschäft ist dies anders. Unternehmen unterscheiden sich in ihren Geschäftsmodellen, Risikoprofilen und globalen Präsenzen so stark, dass standardisierte Versicherungsansätze nicht ausreichen. Auch die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit, die in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat, führt zu einer erhöhten Komplexität der Risikolandschaft, die nur durch Individualisierung der Versicherungsprodukte adressiert werden kann.
So kann eine massgeschneiderte Anpassung im Wording einer Haftpflichtpolice notwendig sein, wenn ein Versicherungsnehmer z.B. Haftungsschäden durch Drohnen gedeckt haben möchte. Oder aber die Definition einer Deckung oder eines Deckungsumfanges muss angepasst werden.
Soll der Versicherungsschutz global gelten, kommen sogenannte internationale Programme zum Einsatz. Bei diesen müssen unterschiedliche lokale Regulatorien, z.B. ein Monopol für bestimmte Gefahren oder zwingend zu versichernde Gefahren. Ausserdem müssen unterschiedliche Währungen, Steuern und Sprachen berücksichtigt werden.
Komplexität der Risiken nimmt zu
Der Umgang mit so unterschiedlichen Kundenbedürfnissen, das dazugehörige Risk Management, die subsequente Verwaltung der Verträge und die Schadenregulierung ist höchst anspruchsvoll.
Voraussetzung für internationale Versicherungsprogramme ist ein internationales Netzwerk mit spezialisiertem lokalem Knowhow. Dazu gehört auch die internationale Kommunikation in verschiedenen Sprachen, mit unterschiedlichen Kulturen und vielleicht anderer Auslegungen – was entsprechend herausfordernd ist.
Im Grosskundengeschäft weisen die Verträge im Vergleich zum Standardgeschäft eine hohe Frequenz an Nachträgen auf. Zusätzlich müssen in der Buchhaltung unterschiedlichste Prämien-/Abrechnungsarten, Rabatte und Provisionen, z.B. für führende Versicherer, verarbeitet werden können.
Die Heterogenität der Policen, selbst wenn sie auf demselben Produkt basieren, stellt Versicherer vor Herausforderungen. Wie kann man z.B. feststellen, ob man Gebäude versichert hat, die in einem ausländischen Gebiet liegen, dass soeben von einem Erbeben betroffen war? Ist die Gefahr Erdbeben bei diesen gedeckt und wenn ja in welcher Höhe? Wie ist sie definiert? Beispiel Corona: Ist der Pandemieausschluss wirklich in allen meinen Verträgen enthalten? Wie sieht meine Portfolio-Exponierung im Detail aus?
Als wäre das Grosskundengeschäft nicht schon anspruchsvoll genug, kommen in vielen Fällen ungeeignete und/oder veraltete Applikationen hinzu. Dies führt dazu, dass z.B. das Underwriting mehr oder weniger manuell erfolgen muss, was entsprechend fehleranfällig und ineffizient ist. Beim aktuellen Fachkräftemängel muss es aber das Ziel sein, diese hochqualifizierten Expertinnen und Experten vor allem für anspruchsvolle Aufgaben einzusetzen und die restliche Arbeitslast zu automatisieren. Das setzt jedoch geeignete Prozesse und Applikationen voraus.
Wie kann das Grosskundengeschäft zielgerichtet und kosteneffizient getätigt werden?
Im Grosskundengeschäft geht es im Unterschied zum Standardgeschäft nicht darum, die Prozesse vollständig zu automatisieren, sondern die Individualisierung durch Mitarbeitende zu unterstützen, zu steuern und die dabei anfallenden, wertvollen Daten zu nutzen. Dies erfordert vom Standardgeschäft separierte Prozesse und Applikationen. Der Prozess für inhaltlichen Änderungen an den Vertragsbedingungen muss gezielt gesteuert und überwacht werden können. Als Versicherung will ich einschränken können, wer Änderungen an welchen Klauseln vornehmen darf. Es muss dokumentiert und nachvollziehbar sein, wann und durch wen welche Änderung vorgenommen wurde.
Policen im Grosskundengeschäft sind oft auf eine langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ausgelegt. Niemand will ein komplexes Vertragswerk alle 12 Monate neu verhandeln müssen. Die Policen müssen bei Bedarf aber flexibel anpassbar sein – vielleicht will der Versicherungsnehmer einen weiteren Betriebsstandort in die Police einschliessen oder will gewisse Sublimiten und Selbstbehalte anpassen.
In der Zwischenzeit kann aber das Vertragswerk des Versicherers geändert haben – vielleicht auf Grund von gesetzlichen Anpassungen oder aus marktwirtschaftlichen oder juristischen Überlegungen der Versicherung.
Der zuständige Underwriter findet sich nun in folgender Zwickmühle wieder: Soll er die ursprünglich mit dem Kunden verhandelten Änderungen in das neue Vertragswerk einpflegen oder soll er den alten Vertrag nehmen und die erfolgten Änderungen im angepassten Produkt einpflegen? Beide Optionen sind ungünstig. Die Arbeit muss manuell erfolgen, ist zeitaufwändig und fehleranfällig. Man muss wissen, dass Policen im Grosskundengeschäft mehrere hundert Seiten lang sein können.
Die Lösung stellen Underwriting- und Bestandsführungs- und Schadensysteme dar, die speziell auf das Grosskundengeschäft ausgelegt sind. Mittels Software können die mit dem Kunden ursprünglich verhandelten Änderungen mit dem neuen Bedingungswerk zu einem neuen Vertrag zusammengeführt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wie umfangreich der Vertrag ist. Die unterschiedlichen Änderungen werden automatisiert, schnell und fehlerfrei übernommen und dabei auch ersichtlich gemacht.
Applikationen alleine sind aber nicht ausreichend: Die Mitarbeitenden im Grosskundengeschäft brauchen ein anderes Skill-Set als im Standardgeschäft, z.B. in der internationalen Kommunikation. Sie müssen über tiefgreifende Fachkenntnisse verfügen, um massgeschneiderte Lösungen auszuarbeiten und um hochstehende Dienstleistungen anzubieten, so z.B. im Risk Engineering.
Im internationalen Programmgeschäft benötigen global tätige Unternehmen einen führenden globalen Versicherungspartner mit Präsenz in allen Schlüsselmärkten, der in Verbindung mit unternehmerischem Denken und zuverlässigen Handeln, ein weltweites Netzwerk auf allen fünf Kontinenten zur Verfügung stellt – wie z.B. HDI Global.